Holzgerlingen Online - Eule und Rabe © Bärbel Lohberg

Doggastub' ond Eisebah' bloß für zwoi Wocha

Nach Weihnachten kamen die Spielsachen wieder auf "d'Behne".

Das kann sich heutzutage wohl kein Kind mehr vorstellen: früher gab es die "guten" Spielsachen zu Weihnachten nur auf Zeit! Man freute sich als Mädchen schon Wochen vor dem Fest auf das Wiedersehen mit der "Doggastub" (Puppenstube), dem Kaufladen oder auch den "Dogga" und dem Doggawägele", die man fast ein Jahr lang nicht mehr gesehen hatte. Ja, so unglaublich es für die heutige Generation auch klingt, die Spielsachen verschwanden am 6. Januar (oder ein paar Tage später) wieder für ein Jahr auf dem Speicher, d.h. man erzählte den Kindern, dass das Christkindle die Spielsachen wieder abgeholt hat. Und so konnte man sie schonen und sie hielten für viele Jahre, ja Generationen!

Als Überraschung gab es dann an Weihnachten neue Kissen für den Puppenwagen, einige neue Artikel für den Kaufladen, dessen Schublädchen natürlich in jedem Jahr frisch aufgefüllt wurden, oder neue Schüsselchen für die Puppenküche. Der Vater hatte vielleicht die Zimmer der Puppenstube neu tapeziert, die Mutter ein paar Puppenkleidchen genäht - und die Kinder waren glücklich und zufrieden.

Die Buben warteten gespannt auf ihre Eisenbahn-Anlage, die zugedeckt wohlverwahrt auf dem Speicher ausgeharrt hatte, und waren begeistert über einen neuen Zugwagen oder gar eine neue Lock. Für die Ritterburg gab es ein paar schmucke Ritter, auch der Bauernhof bekam einige neue Tiere. Ansonsten hielten sich die Geschenke im praktischen Bereich: ein neuer selbstgestrickter Pullover, dicke Socken, Mützen, Schals, Unterwäsche waren in den Weihnachtspäckchen zu finden.

Schon am Heiligen Abend wurde über die Plätzchen auf dem Weihnachtsteller hergefallen und die wenigen Schokoladenstückchen herausgefischt!

Im zweiten Weltkrieg änderte sich dann so manches, denn die Spielwaren- Produktion wurde kriegsbedingt ein- oder umgestellt. Man war froh, wenn die alten Spielsachen vom Vorjahr wieder da waren und die "Breedlesteller" wurden auch immer kleiner. Backzutaten waren rationiert und man musste sich neue sparsame Rezepte einfallen lassen. Honig und Zucker waren Mangelware und so wurden in vielen Waschküchen im großen Waschkessel Zuckerrübensirup gekocht, der dann sowohl als Ersatz für Zucker, als auch für Honig eingesetzt werden konnte. Vor allem die Lebkuchen schmeckten trotzdem gut, wenn auch der Rübenkochgeruch wochenlang das Haus durchwehte!

Der Nikolaustag wurde früher in unserer Gegend nicht gefeiert, man stellte höchstens die Schuhe erwartungsvoll vor die Türe. Nikolaus und Christkindle kamen am Heiligen Abend höchstpersönlich in die Häuser und die Kinder hatten ein Versle gelernt, damit es etwas aus dem großen Sack und nichts mit der Rute gab! Orangen und Bananen gab es damals noch nicht, man bekam Äpfel und Nüsse vom Nikolaus. Die Kirchen waren am Heiligen Abend und Weihnachtstag von den Familien gut besucht und alljährlich wurde ein Krippenspiel aufgeführt. In Kriegzeiten bestand das Weihnachtsessen vor allem aus Hasenbraten aus den eigenen Ställen. Am zweiten Feiertag wurden - falls genügend Schnee vorhanden war - die Schlitten oder die Schlittschuhe ausgepackt!

Während des Krieges war Weihnachten in zahlreichen Familien ein eher trauriges Fest. Die Väter standen an der Front und nur wenige bekamen Weihnachtsurlaub. Man hoffte ungeduldig auf Nachricht und hatte bereits Wochen zuvor die Feldpost-Päckchen an die Soldaten abgeschickt. Täglich wartete man, bis "s'Briefträger's Mariele" endlich den ersehnten Feldpostbrief ins Haus brachte. Aber auch die ganz schlimmen Nachrichten blieben nicht aus - es kamen auch in der Weihnachtszeit immer wieder Gefallenenmeldungen aus den Kriegsgebieten.

Selbstverständlich gab es in den Kriegsjahren keinerlei Lichterglanz in den Straßen. Die Häuser mussten wegen der befürchteten Fliegerangriffe vollständig verdunkelt werden, auch die Straßenbeleuchtung war abgeschaltet. Weihnachtsbäume gab es in unserer waldreichen Gegend genügend und man war froh am alten Christbaumschmuck. Da auch Holz und Kohle knapp waren, saß man gerne im warmen Wohnzimmer, alle anderen Räume blieben ungeheizt und an den Wänden und Fenstern bildeten sich bizarre Eisblumen. Statt Bohnenkaffee gab es den so genannten "Muggafugg", einen gerösteten Gerstenkaffee mit Zichorie oder auch Pfefferminztee. Aber man war schon froh und glücklich, wenn es an den Feiertagen nicht auch noch Fliegeralarm gab!

Da es damals noch kein Fernsehen gab, saß man oft bei Spieleabenden zusammen. Man spielte Mensch, ärgere Dich nicht, Fang den Hut, Miele, Dame, Halma, Schach und natürlich Kartenspiele wie Elfer raus oder "Gaigeln". Neue Spiele wurden im Krieg nicht hergestellt, auch Bücher waren knapp. Im Familienkreis hat man viel gesungen und musiziert (siehe Foto aus dem Kriegsjahr 1941). An Silvester freute man sich über "Saiten mit Kartoffelsalat" und besuchte den Altjahrabend-Gottesdienst. An Feuerwerk war natürlich nicht zu denken! Dafür stellte man sich sechs Jahre lang die bange Frage: wann wird es endlich wieder Frieden auf Erden?

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Autor:
Helga Zaiser
Mörikestraße 26
71088 Holzgerlingen
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E-Mail: email[at]omahelga.de


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