Holzgerlingen Online - Eule und Rabe © Bärbel Lohberg

Das Ostervergnügen auf der "Werbere"

Es gibt nicht allzu viel zu berichten über Osterbräuche in unserem Dorf, das ja bis Ende der Vierzigerjahre ganz evangelisch-pietistisch geprägt war.

Trotzdem hat sich seither einiges verändert und die Befragung älterer Mitbürger ergab einige erzählenswerte Bräuche, die heute bereits ausgestorben sind.

Die Karwoche galt als "stille Zeit" und es durften keine öffentlichen Veranstaltungen durchgeführt werden. In den Gottesdiensten wurde zur inneren Einkehr aufgerufen und am Karfreitag trug man schwarze Trauerkleidung. Auch die Kinder bekamen an diesem Tag eine schwarze Schürze umgebunden und sie durften nicht "auf der Gass'" herumtollen - das Spielen mit dem Ball, dem Hopfseil oder dem "Dänzer" waren verboten.

Auf den Mittagstisch durfte am Karfreitag kein Fleisch kommen, deshalb gab es an diesem Tag in jedem Haus "gfüllt Nuudla" - heute Maultaschen genannt. Am Gründonnerstag wurde in manchen Familien Fisch serviert, was aber schon eher ein Luxus war, denn es gab damals noch keine Kühlfahrzeuge für den Transport.

Am Ostersonntag durften die Kinder dann endlich ihre "Nestchen" suchen, die Körbchen hatten sie bereits am Gründonnerstag mit Moos aus dem Wald bestückt. In kinderreichen oder ärmeren Familien lagen nur ein paar gefärbte Eier und ein "backener Haas'" im Nest - später, als Bäckermeister Gottlob Laib (Kafeebäck) mit der Produktion von Rahm-, und Schokoladen-Hasen begonnen hatte, füllten sich die Osternester mit diesen süßen Schleckereien.

Und weil früher das neue Schuljahr grundsätzlich nach Ostern angefangen hat, gab es zu Ostern für die ABC-Schützen einen neuen (oft aber nur einen gebrauchten) Schulranzen. Schultüten waren damals in unserer Gegend völlig unbekannt und wurden erst in den Fünfzigerjahren zur Freude der Kinder eingeführt.

Ein großes Vergnügen für die Kinder war auch das "Eier werbera". Dazu ging man mit den bunt gefärbten Ostereiern auf die "Werbere", das war eine abschüssige Wiese unterhalb der heutigen Färberstraße.

Dort vergnügte man sich beim Eierwerfen (werberea) oder beim Eierspicken. Hierbei versuchte man mit Zwei- oder Fünfpfennigstücken, das Ei des anderen Teilnehmers zu "spicken", d.h. die Münze musste dabei im Ei des Gegners stecken bleiben. Gelang dies, so gehörte das Ei dem "Spicker", gelang das nicht, so bekam der andere das Geld. Die beschädigten Ostereier wurden dann sofort verspeist - wenn das auch manchmal Magendrücken zur Folge hatte!

Die schöne Tradition, am Nachmittag des Ostersonntags zum Gedenken an die im letzten Jahr verstorbenen Angehörigen auf dem Friedhof einen Auferstehungs- Gottesdienst abzuhalten, wird schon seit über hundert Jahren in Holzgerlingen von der evangelischen Kirche gepflegt.

Mit der Ankunft und Eingliederung der Vertriebenen aus den Ostgebieten nach dem zweiten Weltkrieg lernte man hier neue Osterbräuche kennen, denn die Neubürger waren mehrheitlich katholisch. Es wurde in Holzgerlingen die Erlöserkirche gebaut und so sah man am Palmsonntag die Besucher mit bunt geschmückten Palmbäumchen aus der Kirche kommen. Ein wirklich schöner Brauch. Auch das kunstvolle Bemalen und Gestalten von ausgeblasenen Ostereiern in den verschiedensten Techniken kam vor allem aus den Ostblockländern zu uns. Es wurde gerne angenommen und nachgemacht und die Ostereier- Ausstellungen im hiesigen Heimatmuseum erfreuen sich seit 1990 großer Beliebtheit. Holzgerlingen ist inzwischen zum Mekka der Eiermaler geworden.

<< Gschichta - vo dr Ahna erzählt

>> Von Wöchnerinnen, Täuflingen und Paten

Autor:
Helga Zaiser
Mörikestraße 26
71088 Holzgerlingen
Telefon 07031/609349
E-Mail: email[at]omahelga.de


↑ Zum Seitenanfang



 Holzgerlingen | Holzgerlinger Websites | Kontakt | Impressum 

Weitere Publikationen: Reise Rat | Neckar | Schwarzwald

PhiloPhax & Lauftext
Holzgerlingen liegt in der Nähe von Böblingen an der B 464 zwischen Stuttgart und Tübingen